Authors: Elisabeth Pötzelsberger (EFI), Andreas Schuck (EFI), Michael den Herder (EFI)
Die meisten Wälder in Europa werden seit langem vom Menschen genutzt und sind auf die eine oder andere Weise verändert worden. Dennoch gehören die Wälder zu den Ökosystemen mit der größten biologischen Vielfalt. Altgewachsene und natürliche Wälder sind besonders wertvoll für die biologische Vielfalt und die Kohlenstoffspeicherung. Einige intensiv bewirtschaftete Wälder (z. B. Niederwälder) können ebenfalls einen hohen Erhaltungswert haben.
Heute sind 94 % der europäischen Wälder als „naturnah“ eingestuft (in Bezug auf Baumartenzusammensetzung, Verjüngungsgrad, Alter und Bestandsstruktur), 2 % sind vom Menschen unberührt (hauptsächlich in Nord-, Südost- und Mitteleuropa) und 3 % sind Plantagen. Da der größte Teil der Wälder bewirtschaftet wird (einschließlich der Wälder mit einem weniger strengen Schutzstatus, z. B. Natura-2000-Gebiete), hängt die Erhaltung der biologischen Vielfalt in den Wäldern in hohem Maße von bewährten Praktiken der Waldbewirtschaftung ab. In fast 24 % der europäischen Wälder muss die Bewirtschaftung jedoch besondere Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um die biologische Vielfalt zu erhalten, wie in der Vogelschutz- und der Habitatrichtlinie der EU vorgeschrieben.
Die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt hängen sehr oft von der Intensität der Waldbewirtschaftung ab. Maßnahmen mit hoher Intensität wie Kahlschläge führen dazu, dass vorübergehend alle Bäume entfernt werden. Maßnahmen mit geringerer Auswirkung, wie die Einzelbaumauslese, sind ein Beispiel für eine Holzerntemethode mit geringer Intensität. Bei allen Bewirtschaftungsmethoden werden einige Eigenschaften des Waldes verändert, sodass einige Arten begünstigt werden – z. B. lichtliebende Arten bei einem Kahlschlag –, während andere benachteiligt werden.
In Wäldern, die hauptsächlich für die Holzproduktion bewirtschaftet werden, fehlen oft die späten Entwicklungsphasen, die in natürlichen Waldökosystemen zu finden sind. Viele Spezies leben auf oder sind abhängig von Habitatbäumen, in der Regel großen und alten Bäumen, die Mikrohabitatstrukturen wie Hohlräume, Risse, Bruchstellen, Totholz und Epiphyten aufweisen oder Möglichkeiten zum Nestbau bieten. Liegendes und stehendes Totholz beherbergt viele spezialisierte Organismen, insbesondere saproxylische wirbellose Lebewesen (z. B. Insekten) und holzzersetzende Pilze, und trägt darüber hinaus zur Verbesserung des Nährstoffhaushalts der Böden und zum Wasserschutz bei. Daher ist es für die biologische Vielfalt von großer Bedeutung, diese Elemente alter Waldstadien, d. h. erhebliche Mengen an Totholz, alte Bäume mit Mikrohabitaten, vielfältige Bestandsstrukturen oder Waldlücken, in Wälder zu integrieren, die zur Holzversorgung bewirtschaftet werden.
Die Waldbewirtschaftung kann auch darauf abzielen, die biologische Vielfalt zu erhöhen, indem natürliche Störungen nachgeahmt werden, z. B. durch vorgeschriebenes Abbrennen, die Schaffung von Lücken unterschiedlicher Größe und die Erhöhung des Anteils an Totholz.
Darüber hinaus ist die Wahl standortangepasster Baumarten eine grundlegende forstwirtschaftliche Entscheidung, die die biologische Vielfalt beeinflusst. Dies wirkt sich nicht nur direkt auf die Baumartenvielfalt, sondern auch indirekt auf die biologische Vielfalt der Wälder aus, da sich zahlreiche Spezies gemeinsam entwickelt haben und daher auf bestimmte Baumarten oder Baumartengruppen angewiesen sind. Ein bekanntes Beispiel ist der Tannenhäher, der in seinem europäischen Verbreitungsgebiet stark von den Nüssen der Zirbelkiefer abhängig ist. Die mangelnde Koevolution ist oft der Grund dafür, dass generell weniger einheimische Tierarten von eingeführten Baumarten profitieren.
Waldbewirtschaftungspraktiken beeinflussen die Waldstruktur und die biologische Vielfalt auf viele verschiedene Arten, aber es gibt keine Patentlösung für die Optimierung der biologischen Vielfalt in Wäldern, da die Anforderungen der im Wald lebenden Spezies unterschiedlich sind. Während sich Wälder, die für eine Reihe verschiedener Ökosystemleistungen bewirtschaftet werden, immer von natürlichen Waldökosystemen unterscheiden werden, bietet die Forstwirtschaft viele Möglichkeiten, Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt besser zu integrieren, indem natürliche Prozesse nachgeahmt und Elemente alter Wälder integriert werden.